Phoenix/Jena - Mediziner der Mayo Clinic im amerikanischen Phoenix, Arizona, haben die allgemein anerkannte Ursache von Blutvergiftung angefochten. In einem Kommentar in der neuesten Ausgabe des Fachmagazins Trends in Molecular Medicine berichten die US-Wissenschaftler, dass eine Veränderung in einem Zellrezeptor Sepsis auslöst und nicht, wie bisher anerkannt, eine Ansteckung mit Bakterien.

Das Forscherteam um Jeffrey Platt postuliert damit einen neuen, ersten Schritt in der Kettenreaktion der lebensbedrohlichen Blutvergiftung. "Ich halte das für eine waaghalsige Hypothese", meint Frank Martin Brunkhorst, Oberarzt und Sepsisforscher an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uni-Klinikum Jena.

Rezeptor-Hemmung aufgehoben

"Es gibt Patienten mit einer sepsisähnlichen Immunreaktion ohne bakterielle Ursache", räumt Brunkhorst ein. "Aber eine Sepsis geht immer von einer Infektion aus", betont der Mediziner. Die amerikanischen Wissenschaftler identifizierten toll-like-Rezeptoren in Zellen als ersten Schritt, der die fatale Kettenreaktion der Sepsis in Gang setzt. Die Forscher beobachteten, dass die natürliche Hemmung des Rezeptors einerseits durch Bakteriengift, andererseits aber auch durch körpereigene Moleküle aufgehoben werden kann. Sobald der Rezeptor enthemmt ist, leitet er die Sepsis ein. So erklären sich Platt und seine Kollegen, dass bei Sepsispatienten manchmal keine Bakterien gefunden werden.

Nachweisprobleme

Frank Martin Brunkhorst führt das jedoch auf die unzureichenden Nachweis-Methoden zurück. Bei einer Blutvergiftung gelangen Bakterien über eine Wunde in die Blutbahn und breiten sich dort aus. Darauf reagiert der Körper mit einer Entzündungsreaktion, die weitreichende Störungen von Körperfunktionen nach sich zieht. Nach einer Blutentnahme kann man das Blut auf Bakterien untersuchen, doch das dauert etwa zwei Tage und damit zu lang für einen akuten Fall, bei dem es auf Stunden ankommt. Eine schnellere Methode, so der Sepsis-Experte, ist der Nachweis eines speziellen Proteins, das nur bei Sepsis gebildet wird.

Die Forscher aus Phoenix glauben, dass die Rolle des toll-like-Rezeptors bei der Entstehung einer Blutvergiftung bisher übersehen wurde und hoffen, dass dieses neue Verständnis zu daran angepassten Behandlungsmethoden führen könnte. Brunkhorst sieht die Theorie der Sepsis ohne Bakterien kritisch. "Problematisch ist nur die frühe Diagnose und der Nachweis der Bakterien, denn das Krankheitsbild spielt in der Forschung leider immer noch eine Stiefmutterrolle."

Gefahr bei der Sepsis: Autoimmun-Reaktion

Bei der Behandlung von Sepsis wird dem Kranken möglichst frühzeitig Antibiotika infundiert. Schnelles Handeln ist hier sehr wichtig: "Mit jeder Stunde ohne Antibiotika wächst das Risiko an der Blutvergiftung zu sterben um fünf Prozent", erklärt Brunkhorst. Die behandelnden Ärzte stabilisieren den Kreislauf des Patienten und beatmen den Kranken künstlich um den Sauerstoffmangel auszugleichen. "Das gefährliche an einer Sepsis ist, dass sich die immunologische Reaktion des Erkrankten manchmal gegen den Organismus des Patienten selbst richtet", so Brunkhorst abschließend. In Deutschland sterben jährlich etwa 80.000 Menschen an Sepsis, in Österreich etwa 15.000 Menschen. (pte/Red)

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