Neue Empfehlungen bei der Erstversorgung von Brandverletzten
In Deutschland müssen jährlich rund 10.000 bis 15.000 Menschen mit Brandverletzungen stationär behandelt werden, 10% davon auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Die Hälfte der Verbrennungsunfälle ereignet sich im häuslichen Bereich, bei jedem zehnten Verbrennungsunfall liegt ein Selbstmordversuch oder ein Gewaltverbrechen vor.
In jedem Erste-Hilfe-Kurs lernt man, wie man bei einer Verbrennung helfen muss. Erinnern Sie sich noch?
Kühlung ist die wichtigste Maßnahme. Es muss mit kaltem Wasser oder Eis 20 Minuten oder bis zur Schmerzfreiheit gekühlt werden. Nur so kann verhindert werden, dass die Hitze zum Körperstamm vordringt. Brandsalben helfen, dass die Wunde rascher abheilt. Fällt es Ihnen wieder ein? Vergessen Sie es gleich wieder! Diese Maßnahmen haben sich grundlegend geändert!
Weniger ist mehr!
Die Kaltwassertherapie sollte ein "Nachbrennen" und "Abtiefen" der Verbrennungswunde verhindern. Neue Untersuchungen haben jetzt diese bisher etablierte Methode näher untersucht. Nur wenn SOFORT, d. h. wenige Sekunden nach der Verbrennung gekühlt wird, tritt ein erwünschter Effekt ein. Neu ist auch die Erkenntnis, dass das Wasser nicht kalt oder gar eiskalt sein sollte. Die richtige Temperatur ist 10 bis 20°C. Beginnt die Kühlung zwei Minuten nach dem Unfall, so ist ein positiver Effekt schon nicht mehr vorhanden.
Wird zu lange gekühlt, zu spät oder ist das Wasser zu kalt, kann diese Maßnahme sogar schädlich sein. Die Gefäße der Haut ziehen sich zusammen und das geschädigte Areal wird größer. Nicht selten werden unterkühlte Brandverletzte ins Krankenhaus gebracht. Negative Folgen der zu starken Kühlung sind neben der Zunahme des Verbrennungsausmaßes eine Verminderung der körpereigenen Immunreaktion. Die Folge ist eine verzögerte Wundheilung, eine Steigerung der Infektionsrate (Sepsis), Gerinnungs- und Herzrhythmusstörungen.
Daraus ergeben sich folgende neue Empfehlungen:
- Die Kaltwasserbehandlung kann mit kaltem Leitungswasser (15-20°C) für maximal zehn Minuten bei Verbrennungen von weniger als 10 % verbrannter Körperoberfläche erfolgen
- Notärztliche Maßnahmen dürfen nicht verzögert werden
- Besondere Zurückhaltung ist bei Kleinkindern und Säuglingen geboten
- Die Kaltwassertherapie ist kontraindiziert bei Mehrfachverletzten, narkotisierten Patienten, Kältezittern und Verbrennungen von mehr als 10 % verbrannter Körperoberfläche
- Nach der Kaltwassertherapie müssen Maßnahmen zum Wärmeerhalt durchgeführt werden: wärmende Aluminiumdecken, warme Infusionen durch das Rettungsdienstpersonal oder die Klinik
An die Wunde gehören nur Wasser und ein Verband
Am Unfallort sollte die Brandwunde mit sterilem, sekretaufnehmendem und nicht verklebendem Verbandmaterial abgedeckt werden. Mit Aluminium bedampfte Auflagen verkleben beispielsweise nicht mit der Wunde. Das Auftragen von Puder, Salbe, oder ähnlichem sowie das Eröffnen von Blasen ist absolut tabu! Salben mit einem Fettanteil speichern die Wärme in der Haut, Gele würden zwar kühlen, aber in der Akutphase auch brennen. Puder würden mit der Wunde verkleben. Das alte Hausmittel "Öl und Mehl" ist so zu bewerten, als würde man versuchen, ein Feuer mit Benzin zu löschen. An die Wunde gehört nur Wasser und ein geeigneter Verband. Erst zur Nachbehandlung können bei geringen Verbrennungen Brandgele angewendet werden.
Nicht nur Ausmaß und Tiefe bestimmen den Leidensdruck
Ausdehnung und Tiefe, Lokalisation sowie Ursache und Alter des Patienten bestimmen das Ausmaß der Schädigung. Besonders wichtig ist, wie viel der Körperoberfläche wie stark verbrannt sind. Die Handinnenfläche des Patienten entspricht einem Prozent der Körperoberfläche. Eine Einteilung in Verbrennungsgrade erleichtert die Abschätzung der Schädigung:
- Bei Grad 1 ist die Haut nur gerötet, vergleichbar mit einem Sonnenbrand. Sie schmerzt, aber es bilden sich keine Blasen. Die Abheilung erfolgt spontan, so dass keine Nachbehandlung erforderlich ist.
- Bei Grad 2a sind die Schädigungen nur an der Hautoberfläche. Es treten Blasen auf, wobei der Blasengrund rot ist, aber rasch rekapillarisiert. Der Patient leidet jedoch unter Berührungsschmerzen. Die Heilung erfolgt spontan und dauert etwa 10 bis 14 Tage. Auf jeden Fall muss für einen ausreichenden Sonnenschutz gesorgt werden.
- Verbrennungen vom Grad 2b reichen bis tief in die Haut machen eine chirurgische Therapie notwendig, da die Heilung sonst wochenlang dauert und Narben zurückbleiben. Der Blasengrund ist weißlich. Auch hier sind die Haare ausgefallen.
- Bei Schweregrad 3 treten weiße, trockene Hautfetzen und schwerste Hautschäden, so genannte Nekrosen, auf. Der Patient empfindet keinen Schmerz, die Haare sind ebenfalls ausgefallen.
- Beim Verbrennungsgrad 4, beispielsweise nach Stromverbrennungen, ist die Haut bereits verkohlt und es sind erhebliche Weichteildefekte zu beobachten.
Doch weder der Schweregrad noch wie viel Haut geschädigt sind bestimmen den Leidensdruck für den Patienten. Selbst wenn nach einer Verbrennung 2. Grades nur 5% des Gesichtes verbrannt sind, wird damit die Lebensqualität drastisch vermindert. Ähnliches gilt für die Hände - sie sind bei mehr als 80% aller schweren Brandverletzungen betroffen. Obwohl jede Hand lediglich weniger als 3% der Gesamtkörperoberfläche einnimmt, werden Verbrennungen der Hand von der "American Burn Association" (ABA) als schwere Verletzungen eingestuft. Selbst kleine Verbrennungen können die Funktion der Hand extrem einschränken. Bei Verbrennungen hat die Versorgung der Hände deshalb oberste Priorität.
Vorbeugung statt Rehabilitation
Die Rehabilitation des Patienten und seine Fähigkeit, Arbeit zu verrichten, sich selbst zu versorgen und zu ernähren hängen im Besonderen von der verbleibenden Funktionsfähigkeit seiner Greifwerkzeuge ab. Unter dem Aspekt der Plastischen Chirurgie leidet der Patient außerdem besonders, wenn neben seinem Gesicht die Hände entstellt sind.
Die Nachbehandlung von Brandverletzungen ist besonders wichtig. Ziel ist es nicht nur, das Leben des Patienten zu retten, sondern möglichst ein für ihn ästhetisch zufrieden stellendes Ergebnis zu erzielen. Ab einem Schweregrad von 2b muss mit einer Nachbehandlung von einem Jahr gerechnet werden. Um das Ergebnis zu verbessern, führt der Patient soweit möglich eine Narbenmassage nach Anleitung durch. Eng anliegende Strümpfe, Handschuhe o.ä. verbessern das Ergebnis deutlich. In den meisten Fällen kann eine versäumte postoperative Narbenbehandlung nicht durch eine spätere Korrektur wettgemacht werden.
Vor allem Kinder und deren Eltern brauchen dabei auch eine psychologische Unterstützung. Die Behandlung des verbrannten Kindes ist frühestens mit dem Abschluss des Wachstums beendet. Die beste Therapie ist aber immer noch Vorbeugung. Viele Verbrennungsunfälle ließen sich vermeiden. Besonders in der Küche sollten Eltern mit Kleinkindern mit offenen Augen Gefahrenquellen rechtzeitig erkennen und beseitigen. (Matthias Bastigkeit, Fachdozent für Pharmakologie, Redaktion medizin.de)
medizin.de 2005
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