London (ddp). Amerikanischen Wissenschaftlern ist es gelungen, maßgeschneidertes menschliches Blasengewebe im Labor zu züchten und es erfolgreich zu transplantieren. Die Empfänger, sieben Patienten im Alter zwischen 4 und 19 Jahren, hatten zuvor an angeborenen Fehlbildungen der Blase gelitten. Bei allen Patienten verbesserte sich die Blasenfunktion in den Jahren nach der Transplantation deutlich, berichten die Forscher. Auch traten keine der Nebenwirkungen auf, die bei der heute gängigen Verpflanzung von Darmgewebe in solchen Fällen typisch sind. Über ihre Studie berichten Anthony Atala von der Wake-Forest-Universität in Winston-Salem und seine Kollegen im Fachblatt «Lancet» (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1016/S0140-6736(06)68438-9). Die sieben Patienten litten unter Inkontinenz und einem stark erhöhten Risiko für Nierenschäden, da sich in ihren Blasen aufgrund der fehlenden Elastizität des Gewebes ein hoher Druck aufbaute. In solchen Fällen kann die geschädigte Blase durch eine Operation wiederhergestellt werden, in der ein Gewebestück aus dem Darm oder dem Magen in das Blasengewebe eingesetzt wird. Obwohl sich dadurch häufig die Symptome deutlich verbessern, hat die Prozedur oft starke Nebenwirkungen. So können die Patienten Stoffwechselstörungen und Nierensteine entwickeln, leiden an einer verstärkten Schleimbildung in der Blase und haben ein erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen. Aus diesem Grund suchen Mediziner seit langem nach einer Alternative für das Ersatzgewebe. Eine Möglichkeit einer solchen Alternative ist im Labor gezüchtetes Gewebe aus den eigenen Zellen des Patienten, wie es nun Atala und seine Kollegen eingesetzt haben. Dazu wurden den Betroffenen Muskel- und Auskleidungszellen aus der Blase entnommen und diese im Labor vermehrt. Sobald genügend Zellen zur Verfügung standen, wurden sie auf ein Gerüst aus einem Kunststoff übertragen, das sich im Körper zersetzt. Im Fall der Forscher um Atala waren diese Gerüste genauso geformt wie die Blasen der jeweiligen Empfänger. Nachdem die Zellen weitere sieben bis acht Wochen auf den künstlichen Blasen gewachsen waren, umwickelten die Forscher das Transplantat zusätzlich noch mit Bauchfellgewebe, um eine optimale Nährstoffversorgung sicherzustellen. Anschließend verbanden sie die künstlichen Organe in einer Operation durch Nähte mit den eigenen Blasen der Patienten. Die neuen Blasen nahmen ihre Funktion genauso gut auf wie solche, die mit Darmgewebe repariert wurden, allerdings ohne deren Nebenwirkungen zu zeigen. Sowohl die Inkontinenz als auch der Druck auf die Nieren reduzierten sich im Lauf der folgenden zwei bis sieben Jahren deutlich, berichten die Forscher. Eine weitere Langzeitbeobachtung müsse nun zeigen, ob sich dieser positive Trend fortsetze. Die Wissenschaftler wollen nun beginnen, auch andere Gewebearten aus dem Labor wie Blutgefäß- und Herzgewebe in klinischen Studien zu testen.
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