Bethesda (ddp). Die nach Amputationen gefürchteten Phantomschmerzen entstehen direkt im betroffenen Nerv und nicht wie bislang vermutet im zentralen Nervensystem. Das gilt auch für andere Arten von chronischen Schmerzen, wie beispielsweise die Nervenschmerzen nach einer Gürtelrose oder die ständigen Schmerzen bei Krebs. Zu diesem Schluss kommt ein kanadisch-australisches Forscherteam unter der Leitung von Peter Smith von der Universität von Alberta nach einer Studie an Ratten. Die neuen Erkenntnisse sollen die Schmerztherapie erleichtern, da die so genannten peripheren Nerven in den betroffenen Körperteilen einfacher behandelt werden können als die in Rückenmark und Gehirn, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Journal of Neurophysiology” (Juli-Ausgabe). Schätzungsweise jeder fünfte Europäer leidet unter chronischen Schmerzen. Dazu gehören beispielsweise die Schmerzen, die durch Arthritis oder Krebs verursacht werden, aber auch die unerklärlichen Schmerzen nach einer Gürtelrose. Besonders belastend sind jedoch die Phantomschmerzen, die Menschen nach der Amputation von Gliedmaßen scheinbar im nicht mehr vorhandenen Fuß oder Arm empfinden. Eine Therapie dieser Nervenschmerzen ist sehr schwierig, da ihre genauen Ursachen nicht bekannt sind. Bislang vermuteten die Fachleute, der Schmerz rühre von Veränderungen im zentralen Nervensystem her. Die Studie von Peter Smith und seinen Kollegen deutet nun jedoch darauf hin, dass eher die peripheren Nerven, die den Körper durchziehen, die chronischen Schmerzen hervorrufen. Die Wissenschaftler schnürten in ihrer Studie den Ischiasnerv junger Ratten 13 bis 25 Tagen ein und untersuchten anschließend die Auswirkungen auf eine Gruppe von Nervenzellen im Rückenmark, die für die Verarbeitung von Schmerz zuständig sind. Nach der gängigen Theorie sollte die Verletzung eines peripheren Nervs die Reaktion dieser Neuronen verstärken und damit bestimmte Veränderungen der Zellen verursachen, die wiederum bislang für die chronischen Schmerzen verantwortlich gemacht wurden. Bei den Ratten seien die Veränderungen der Rückenmarksnerven nach der Verletzung des Ischiasnervs jedoch relativ gering gewesen, berichten die Forscher. „Smiths Team konnte zwar nicht beweisen, dass das zentrale Nervensystem nicht an der Entstehung der Schmerzen beteiligt ist”, kommentiert der israelische Schmerzforscher Marshall Devor die Studie. Doch die Forscher hätten gezeigt, dass höchstwahrscheinlich der Ischiasnerv selbst die chronischen Schmerzen auslöse. Wie die Nervenschmerzen behandelt werden könnten, müsse nun genauer untersucht werden, sagt Smith. Sinnvoll sei es, direkt auf die Verletzung abzuzielen, welche die Schmerzen verursacht, wie es bei der präventiven Betäubung bei Operationen bereits gemacht werde. Doch auch eine Unterdrückung des Immunsystems in den Tagen nach der Verletzung hält Smith für viel versprechend. So könne die Nervenentzündung abgeschwächt werden, die wahrscheinlich den Schmerz auslöse.

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