Partydroge, Raverglück - Ecstasy kennt man als Glückspille der Discogänger. Aber auch in der Therapie könnte der Wirkstoff Verwendung finden: Einige Psychologen würden die bunten Pillen am liebsten ihren Patienten verschreiben.

Ecstasy auf Rezept: Was für viele undenkbar ist, könnte nach Ansicht einiger Forscher schon bald Wirklichkeit werden - für Menschen, die etwa nach einem Gewaltverbrechen an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden. Dabei soll den Patienten nicht die synthetische Partydroge selbst verabreicht werden, sondern deren Hauptbestandteil MDMA. Doch die Idee hat in der Fachwelt heftige Diskussionen ausgelöst, schließlich zählt Ecstasy zu den illegalen Drogen.

Eine PTBS kann sich als Reaktion auf ein traumatisches Ereignis entwickeln, etwa nach einer Vergewaltigung, einer Naturkatastrophe oder Kriegserlebnissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand irgendwann in seinem Leben diese emotionale Störung entwickelt, liegt in den USA bei bis zu zehn Prozent, sagt der Psychologe Jörg Angenendt von der Universitätsklinik Freiburg. "Hier in Europa ist das Risiko aber mit geschätzten drei bis vier Prozent deutlich kleiner, weil beispielsweise die Kriminalitätsrate viel niedriger ist."

Panikattacken, Gedächtnisverlust, Seelenqualen

Die Liste der Beschwerden, die nach einer traumatischen Erfahrung auftreten können, ist lang und reicht von Emotionslosigkeit über Amnesie und quälenden Wiedererinnerungen bis hin zu Panikattacken. Von PTBS sprechen Fachleute aber erst, wenn die Symptome länger als einen Monat andauern. Ab drei Monaten gilt die Störung als chronisch. Ob es im Einzelfall zu einer PTBS kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, so der Forscher. "Eine wichtige Rolle dabei spielt zum Beispiel die Art des Traumas: Waren andere Menschen daran beteiligt, wie etwa bei einer Vergewaltigung, ist das Erkrankungsrisiko für das Opfer größer, als wenn es eine Naturkatastrophe miterlebt." In jedem Fall sei es aber wichtig, dass Beteiligte eines traumatischen Ereignisses genau beobachtet werden, um mögliche Folgen rechtzeitig festzustellen und im Bedarfsfall behandeln zu können, betont der Psychologe.

Bei der Behandlung der Betroffenen würden verschiedene Formen der Psychotherapie angewendet, darunter die Kognitive Verhaltenstherapie, sagt Angenendt. Bei Bedarf werden zusätzlich Medikamente verabreicht, etwa so genannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer. Sie verhindern die Wiederaufnahme des "Glückshormons" Serotonin in die Gehirnzellen, aus denen es zuvor zur Bewältigung von Stresssituationen ausgeschüttet wurde. Dadurch verlängert sich die positive Wirkung des Hormons auf das Wohlbefinden und die Stimmung, was etwa gegen Depressionen oder Angststörungen helfen kann - Erkrankungen, die mit einem Mangel an Serotonin in Verbindung gebracht werden.

Einen vergleichbaren Effekt hat auch der Ecstasy-Wirkstoff MDMA: Er fördert die Ausschüttung von Serotonin und hemmt dessen Wiederaufnahme in die Zellen. Die Folge: Die Stimmung steigt, das Selbstwertgefühl und die Bereitschaft zur Kommunikation nehmen zu und ein Gefühl von Frieden stellt sich ein. Diese Wirkung trug zum Siegeszug der Partydroge Ecstasy in den Diskotheken bei und ist zugleich einer der Gründe, warum Forscher mit dem Hauptwirkstoff MDMA nun PTBS-Patienten therapieren wollen. Die Droge soll Betroffenen helfen, über ihre traumatischen Erlebnisse zu sprechen.

Tests mit US-Soldaten, die im Irak waren

Die Wissenschaftler greifen damit eine alte Idee auf: Bevor Ecstasy auf die Liste der illegalen Drogen kam, wurde MDMA in den 60er bis 80er Jahren in der Psychotherapie eingesetzt, vor allem in Amerika - und oft mit Erfolg. Seither kämpfen einige Forscher dafür, die Substanz wieder als rezeptpflichtige Arznei zuzulassen. Besonders stark dafür macht sich die gemeinnützige amerikanische Forschungsorganisation Maps. Sie finanziert Studien, die den medizinischen Nutzen von psychedelischen Drogen wie MDMA und von Marihuana untersuchen.

Eine dieser Studien läuft seit März 2004 an der Universität von South Carolina. Noch bis September 2006 wird dort unter der Leitung von Michael Mithoefer die MDMA-unterstützte Psychotherapie an PTBS-Patienten getestet, die Opfer eines Gewaltverbrechens wurden. Seit Anfang des Jahres können auch US-Soldaten teilnehmen, die seit den Kriegen in Afghanistan und im Irak an psychischen Störungen leiden. Ähnliche Studien mit dem Ecstasy-Wirkstoff sollen schon bald auch in anderen Ländern anlaufen, etwa in Israel, der Schweiz und in Deutschland, so Mithoefer. Ebenfalls kurz vor dem Start steht noch ein anderes Projekt: An einer Klinik in Massachusetts soll MDMA an Krebspatienten erprobt werden, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Krankheitsstadiums an Angststörungen leiden.

MDMA schädigt die Hirnfunktionen

Den möglichen therapeutischen Effekt des Ecstasy-Wirkstoffes in solchen und ähnlichen Fällen nicht zu nutzen, hält Mithoefer für unverantwortlich. Das bedeute aber nicht, dass die Droge jederzeit und von jedem gefahrlos eingenommen werden könne. Nur unter kontrollierten Bedingungen sei der Einsatz von MDMA für medizinische Zwecke sinnvoll und sicher, betont der Forscher. Kritiker warnen jedoch davor, dass illegale Konsumenten eine solche Freigabe als Freibrief für ihren Drogenmissbrauch ansehen könnten. Schließlich ist die Droge keineswegs harmlos, wenn sie längere Zeit eingenommen wird: Mehrere Studien zeigen, dass MDMA auf Dauer die Hirnfunktionen schädigt. Betroffen ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis, zeigen Untersuchungen.
Martina Feichter/DDP

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